Liebes Pandemie Tagebuch,
Es sind die kleinen Dinge, die einem durch die Krise helfen…
Gestern wollte ich zur Bank. Obwohl, von wollen konnte eigentlich keine Rede sein, es war eher ein müssen, weil sich die Bargeldreserven erschöpft haben. Aber die Karre springt nicht an. Batterie leer. Homeoffice Konsequenz halt, der Wagen Stand ne Weile, war also absehbar, dass das passieren würde und wäre jetzt auch nicht das erste Mal gewesen. Also ganz entspannt (ja, doofes Wortspiel an der Stelle, aber das musste jetzt sein) die Motorhaube auf, Batterie abgeklemmt und über Nacht ans Ladegerät gehangen. Früher hätte das Stress bedeutet. Wann haben wir, als Gesellschaft, es eigentlich geschafft, uns selbst davon zu überzeugen, dass es das Höchste der Gefühle ist, im Besitz einer rollenden Blechkiste zu sein, welche es uns ermöglicht unausgeschlafen um 7:30 zwei Orte weiter auf der Matte zu stehen, damit wir uns besagte Blechkiste leisten können? Egal. Mich hupt jedenfalls kein Wecker mehr morgens aus dem Schlaf und die leere Batterie ist Beweis dafür, dass ich seit längeren keine Tonne Stahl mehr in Bewegung setze, nur um eine, um eine Größenordnung leichtere, Nutzlast dahin zu transportieren, wo sie eigentlich nicht sein müsste oder möchte. Hatten wir da nicht so ein anderes Problemchen vor Corona? Irgendwas mit Schulschwänzern? Erstaunlich, was auf einmal so alles möglich ist.
Verschwörungstheorie Greta Thunberg hat SARS-CoV-2 gebaut.
Heute versuche ich dann also, mein gestriges Vorhaben zu Ende zu bringen und fahre um 13:00 zum nächstem Bankautomaten (natürlich hätte die Spaßkasse auch hier im Ort ne Filiale, aber ich glaube, da ist man wohl nur Kunde, wenn man sein Konto zur Kommunion geschenkt bekommen und seit dem nie auch nur einen Blick in deren Gebührenordnung geworfen hat). Das sollte eigentlich eine Zeit sein, in der niemand Geld abheben will. Pustekuchen! Zehn Dumme, ein Gedanke! Die Schlange ist etwas länger und ich erwäge, zum Zeitvertreib, mal am Schalter vorbei zu schneien, “Tach! Ich benutze ja jetzt schon länger ihr Onlinebanking Dingens und würde mir gern demnächst nen Farblaser kaufen. Brauch ich da ein besonderes Modell? Ich frag halt, weil immer zum Automaten wegen Geld holen ist ja auch doof wegen Corona und so, da würd ich dann auch schon ein bisschen mehr Geld für was kompatibles investieren.” Ich wünschte, ich könnte so einen Satz mit ernster Miene raus hauen - kann ich aber leider nicht.
Auf dem Rückweg zum Wagen spricht mich dann eine etwas ältere Dame auf dem Parkplatz von der Seite an. Ich muss zugeben, das Konzept des überraschend angesprochen werdens ist mir ein wenig fremd geworden, fühlt sich aber dann doch gar nicht mal so schlecht an. “Hallo? Sind Sie zufällig mit dem Auto hier”, fragt sie in einem problembewusstem Tonfall, bei dem das Wort “Lackschaden” noch nicht vom Tisch ist. “Äh, ja”, antworte ich einer Eloquenz, als hätte ich aus Sprechfaulheit ein Smartphone mit Sprachassistent verschluckt. “Hätten Sie vielleicht ein Starthilfekabel dabei und wissen wie man das anschließt”. Ja holla die Waldfee! Zwei tote Batterien in nicht mal 24 Stunden? What are the odds? Und natürlich hab ich ein Starthilfekabel dabei! Zwei sogar, ein rotes und ein schwarzes! Mein Kofferraum mag die Abmessungen einer Pralinenschachtel haben, aber für sowas ist Platz. Die Frage, ob ich weis, wie man das anschließt, irritiert mich aber dann doch, denn zum einem bin ich ein Mann (Männer wissen sowas; das ist eine unserer beiden biologischen Funktionen: Autos reparieren und Spinnen raus tragen) und zum Anderem steht das in der Betriebsanleitung, die wir beide im Handschuhfach liegen haben. Stellt sie hier also meine Männlichkeit oder die Fähigkeit zum Lesen in Frage? Egal. “Ja, hab ich dabei”, antworte ich und setze gleich noch ein verständnisvolles “das passiert mir auch öfter” hinterher, um nicht wie der letzte Stoffel zu wirken (ist ja auch nicht gelogen). Der Dame ist es sowieso schon sichtlich peinlich, wegen sowas um Hilfe zu fragen.
Starthilfekabel sind, im Gegensatz zu Erste Hilfe Sets kein selbstverständliches KFZ Zubehör. Was eigentlich dumm ist, denn man muss sie nicht alle 5 Jahre unbenutzt austauschen und wenn man mal sie braucht, funktionieren sie eigentlich immer. Das kann man so von einer Verbandstasche nicht sagen. Komm mal mit so nem Pflasterset zu einem Autounfall mit offenem Bruch oder inneren Verletzungen. Mir haben die Kabel jedenfalls schon mehr als einmal den Arsch gerettet. Das Verbandszeug nie. Egal. Die Dame ist selig vor Glück und wir schreiten somit zur Tat.
Die ideale Position für beide Fahrzeuge bei Starthilfe ist Schnauze an Schnauze, wofür dann auch die Länge des typischen Kabels ausgelegt ist. Damit, das ihr Wagen halb im Gebüsch steht konnte niemand rechnen. Es erforderte also etwas kreativen umparkens meinerseits, einen aufgerissenen Daumen, wobei ich eisern an meiner These von der Nutzlosigkeit der Verbandstasche festhalte und diese aus Prinzip nicht anrühre - wäre ja auch dumm, immerhin ist da jetzt auch Dreck in der Wunde, der soll gefälligst raus bluten und nicht aus Gründen der Ästhetik mit einem Pflaster verborgen werden - und der Erkenntnis, das ich bei Gelegenheit mal meine aktuellen Kabel gegen solche mit kleineren Klemmen austauschen sollte, mit denen es dann vielleicht auch möglich ist, halt am Minus Pol zu finden. Egal. Der Punkt an der Stelle ist nicht die heldenhafte Darstellung vom Sieg über die Technik, inklusive obligatorischer Kriegsverletzung, sondern das es eben die kleinen Dinge sind, die Freude bereiten… Sie ist glücklich, dass sie vom Parkplatz kommt, ich bin glücklich, dass ich helfen konnte.
Naja, morgen ist der 1. Mai, ich glaube, da werd’ ich zur Feier des Tages dann doch mal die Reifen wechseln.