Aktuelle Nachrichten zu Afghanistan
Oder was sich heutzutage so "Nachrichten" nennt…
Die Bundeswehr zieht also aus Afghanistan ab, die afghanische Armee schmeißt (buchstäblich) hin, die Taliban reißen sich binnen Tagen das ganze Land unter den Nagel, wir reiben uns verwundert die Augen, wie das so schnell gehen konnte und alles was aus den Medien anstelle einer Erklärung/Analyse kommt, ist eine neue Flüchtlingsdebatte, die Trampolin auf der Tränendrüse springt, um Stimmung für die Evakuierung der Ortshelfer zu machen…
Werte Qualitätsmedien (und solche, die sich für dafür halten): fehlen da nicht so ein, zwei, oder vielleicht ganz viele wesentliche Puzzleteile in eurer Berichterstattung? Ihr wisst schon, sowas wie das gesamte Bild? Also die Grundlage zur Bildung einer Meinung, anstelle der fertigen Meinung? Nennt mich altmodisch, aber ich ziehe meine Schlüsse halt doch gerne noch selbst.
So ein paar Eckdaten zur Einordnung der Situation wären nett. Banale Fragen, zu denen man mal einen Nah(? mittel?) Ost Experten vors Mikro zerren könnte:
- Wer oder was genau sind eigentlich diese “Taliban”? Scheint ja eine abgegrenzte Gruppe, bzw. eingrenzbare Gruppe zu sein. Woran erkennt man so einen, wenn man ihn auf der Straße sieht? Koranverse auf dem Steißbein? Irrer Blick? Fauchen beim Anblick eines Kruzifix? Irgendwie müssen die sich ja untereinander zu erkennen geben, wenn das Imperium Order 66 ausruft. Ein bisschen Hintergrundinformation zu deren Organisationsstruktur könnte man ja schonmal einstreuen.
- Wie viele von denen laufen denn so in freier Wildbahn rum? Afghanistan ist ja nicht gerade klein (652.864 km2, bzw. 91.437.535 Fußballfelder oder knapp dreieinhalb IKEA Parkplätze). Da braucht man schon ein bisschen Personal, wenn man eroberte Gebiete auch halten will. Unter welchem Stein hat das denn die letzten 20 Jahre gehaust, dass das niemandem aufgefallen ist?
- Was genau hat der Westen eigentlich so die letzten 20 Jahre in Afghanistan getrieben? Wenn sich da eine ganze Armee einfach so unter die Restbevölkerung mischen konnte, dann heißt das ja wohl, dass da entweder jemand seinen Job als Kammerjäger nicht sonderlich ernst genommen hat, oder die Taliban enormen Rückhalt in der Bevölkerung haben. Vermutlich sogar beides. Dann stimmt aber irgendwas nicht am Narrativ, dass die (in Afghanistan) in etwa so beliebt wie Fußpilz sind und wir müssten uns fragen, ob sie das nicht eigentlich demokratisch legitimiert. Die unangenehme Erkenntnis daraus wäre dann, das wir nicht die Schutz-, sondern Besatzungsmacht waren und die Ortshelfer Landesverräter sind.
- Vermutlich rennen Taliban Kämpfer auch nicht durch die Straßen, rufen laut “Peng Peng” und plötzlich denkt die weibliche Hälfte der Bevölkerung: “ja wenn das so ist, dann werf ich mir mal lieber ne Burka über”. Das die Waffen erbeutet sind leuchtet mir ja noch ein, aber die zugehörige Munition ist ein Verbrauchsartikel, der sich halt verbraucht, wenn man neue Kämpfer ausbilden will. Also, wo kommt da der Nachschub her? Wo bilden die ihre Truppen aus? Die Vorstellung, dass die Taliban das heimlich in der Wüste besser hinkriegen sollen als der Westen in offiziellen Kasernen ist irgendwie…
absurdbefremdlich?
Was mich so richtig an der “Berichterstattung” ankotzt ist das es praktisch keine Hintergrundinformationen für Leute gibt, die nicht in der Materie drinstecken (also mich und wahrscheinlich die überwiegende Mehrheit der Deutschen). Nüchtern betrachtet ist das hier eigentlich eine Story über politisches Totalversagen und von Afghanen, die aufs falsche Pferd gesetzt haben. Mal ehrlich, ein paar tausend Ortshelfern Asyl zu gewähren dürfte unterm Strich deutlich billiger kommen, als den Afghanistan Einsatz zu verlängern. Diese unstimmige Zerrbild mit tausenden von völlig unschuldigen Opfern weil Ali Baba mit seinen 40 Räubern auf Speed durchs Land reitet brauch ich nicht.
UPDATE: Leserbrief erhalten, mit Link zu einem Video eines Nahost Experten, der mal eben die Gesamtsituation in 45 Minuten erklärt.