Nochmal zu den digitalen Impfpässen
Und warum es sie nicht geben sollte.
Manche Leute wundern sich, warum gerade ich als Informatiker so vehement gegen digitale Impfpässe, Kontaktverfolgungsapps und dergleichen ausspreche. Die Antwort ist ganz einfach: damit verschleppen wir die Pandemie, weil die meisten Menschen mit Computertechnik überfordert sind, Software nicht richtig einsetzen, nicht verstehen wenn sie etwas falsch machen und dann auch nicht einsehen wollen, dass sie etwas falsch machen, solange sie ein genehmes Ergebnis bekommen.
Nehmen wir uns den digitalen Impfpass sowie die Testzertifikate und stellen uns mal einen Veranstalter, sagen wir, den Betreiber einer Disco, vor. Der Veranstalter argumentiert nun wie folgt: ich habe ein Hygienekonzept! Bei mir kommt nur rein, wer entweder geimpft, genesen oder getestet ist. Da damit per Definition nur gesunde Gäste anwesend sein können, besteht bei mir kein Ansteckungsrisiko und damit auch kein Grund warum ich nicht öffnen darf.
Merksatz Zugangsbeschränkungen haben grundsätzlich zur Folge, dass Menschen versuchen, sie zu umgehen.
Soweit die Theorie, in der Praxis sieht das dann folgendermaßen aus:
- Der Türsteher ist ein Idiot und hat nicht verstanden, dass er Zertifikate mit Ausweisen abgleichen muss. Folglich lässt er Gäste rein, die untereinander ihre QR Codes geteilt haben, weil einer keinen hatte.
- Der Türsteher ist ein Idiot und winkt seine Freunde einfach durch, weil er mit ihnen keinen Stress haben will.
- Dem Veranstalter ist egal, dass der Türsteher ein Idiot ist. Abgewiesene Gäste sind entgangener Umsatz und wenn was passiert, dann wird die Schuld auf den Türsteher abgeschoben.
- Das “Hygienekonzept” greift erst ab der Eingangstür. Nicht ab der Haustür. Was jenseits des Veranstaltungsgrundstücks passiert ist nicht mehr das Problem des Veranstalters: fünf Trottel in Partylaune bilden eine Fahrgemeinschaft. Vier haben einen negativen Test, einer hat Corona (noch symptomfrei). Die Trottel haben nicht daran gedacht, sich gegenseitig ihre Testergebnisse zu zeigen, bevor sie zusammen ins Auto gestiegen sind und der Türsteher weiß nicht, dass er die gesamte Gruppe abweisen muss, wenn auch nur einer keinen Test dabei hat.
- Ein Gast legt einen gerade noch gültigen Schnelltest vor. Angesteckt hat er sich beim Verlassen des Testzentrums und mittlerweile ist er hoch infektiös.
- Ein Gast legt einen frischen Schnelltest vor. Den hat er machen lassen, als seine Viruslast gerade noch unter der Nachweisgrenze lag. Mittlerweile ist er hoch infektiös.
- Ein Gast ist zwar geimpft, aber auch infiziert und scheidet dummerweise trotzdem Viren aus. Da ihm dieser Umstand nicht bekannt bzw. egal ist, baggert fleißig andere Gäste an. Auch die, die nur einen negativen Schnelltest haben.
- Es werden nur die Gäste, nicht die Angestellten und auch nicht die Lieferanten kontrolliert.
Was Menschen, die meinen, mit digitalem Helferlein könne man wieder an den Ballermann nicht verstehen und auch nicht verstehen wollen ist, dass sie folgende falsche Grundannahmen machen:
- Digitaler Impfausweis und negativer Schnelltest machen dieselbe Aussage (“Gesund”), man kann Getestete und Geimpften in der Gruppe bedenkenlos mischen.
- Die Realität entspricht immer der Bescheinigung, menschliches Versagen kommt nicht vor und alle sind vernünftig.
- Das Restrisiko von einer oder zwei Infektionen ist vertretbar, wenn man dafür im Gegenzug ganz viel Spaß bekommt (willkommen in Ischgl).
Im Grunde genommen läuft es auf eine ganz einfache Wahrheit hinaus: entweder wir verstehen endlich dass wir Disziplin üben und Kontakte auf das nötigste einschränken müssen, bis das das Virus ausgerottet ist. Oder wir spielen halt noch Jahre Pandemie JoJo.