Die Corona Warn App hat Geburtstag!

Und was für ein katastrophaler Fehlschlag das Ding ist.

Tja, eine Primärquelle zu diesen Heise Artikel finde ich gerade nicht, aber da er anscheinend gerade ausgiebig geteilt wird, tun wir mal so, als sei er Eine.

Heise titelt also:

RKI-Schätzung: Corona-Warn-App hat über 100.000 Infektionsketten unterbrochen

Hört sich nach Erfolg an, ist aber eigentlich keiner, denn die Erkenntnis beruht auf einer Hochrechnung, welche auf einer Umfrage basiert.

Der grundlegende Designfehler in der Corona Warn App Bei der CWA wollte man verhindern, dass Spaßvögel Fehlalarme auslösen können. Deshalb kann eine Warnung nur mit positivem Labortest erfolgen. Dies bedeutet aber, dass das jeweils nächste Glied in einer Infektionskette immer nur mit zeitlichen Verzögerung von mind. einem Tag gewarnt werden kann, d.h. eine Warnung trifft i.d.R. erst ein, nachdem ein Infizierter bereits ansteckend ist.

Grundlage für die Annahme, dass eine Infektionskette unterbrochen wurde ist, dass sich Gewarnte anschließend testen ließen und dann von ihrem positivem Ergebnis überrascht waren. Wer darüber nachdenkt bemerkt aber sofort, dass Infektionsketten hierdurch nicht unterbrochen, sondern lediglich aufgedeckt wurden. Zum Zeitpunkt des Testergebnisses lässt sich keine Aussage darüber treffen, ob der Infizierte das Virus bereits weiter gegeben hat oder ob er es ohne die Warnung noch tun würde (z.B. weil er mittlerweile schon symptomatisch war, von sich aus einen Test gemacht hat und sich bereits in Quarantäne befindet).

Wer jemals das Vergnügen hatte, eine Vorlesung über Parallelverarbeitung zu hören sieht sofort, dass der CWA Algorithmus einen inhärenten Bug aus der Kategorie der nebenläufigen Probleme hat: das System rennt dem Infektionsgeschehen (fast) immer hinterher, weil der Nachweis einer Infektion i.d.R. länger braucht als das Virus benötigt, um aus einem Infizierten einen neuen Überträger zu machen. Bis das eine Warnung bei einem Wirt eintrifft, hat dieser das Virus wahrscheinlich schon längst weiter gegeben. Ob eine Warnung rechtzeitig eintrifft ist reine Glückssache und sobald das Virus es geschafft hat, der Kontaktverfolgung um mehr als einen Schritt (ein Kettenglied) voraus zu sein, kann man das Rennen eigentlich schon als verloren betrachten.

Anmerkung: Wenn Alice, Bob und Charlie feiern waren, Charlie dann Tags darauf unabhängig (und nicht nachvollziehbar) von Alice und Bob gewarnt wird, zählt man das dann als eine oder als zwei unterbrochene Infektionsketten?

Kosten vs. Nutzen

Die Corona Warn App hat uns irgendwas zwischen 50 und 100 Millionen € gekostet. Damit haben wir also pro unterbrochener Infektionskette 500 bis 1000 € ausgegeben. Für das Geld hätte man ne Menge Masken kaufen können. Die unterbrechen Infektionsketten auch und haben darüber hinaus den Vorteil, bereits ein Kettenglied früher zu wirken.

In Relation gesetzt Die Corona Warn App hat eine(!) von vierzig Infektionen aufgedeckt. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass damit auch jedes mal eine Infektionskette unterbrochen wurde, ist die Maßnahme insgesamt in etwa so sinnvoll, als hätte sich jemand mit einem Putzeimer in die Elbe gestellt, um sich dann dafür feiern zu lassen, dass er erfolgreich 5 Liter Hochwasser aufgehalten hat (nachdem er den Anwohnern erklärt hat, sie brächten sich keine Sorgen zu machen, weil: er kümmert sich).

Auch bei Corona gilt immer noch der alte Grundsatz: Vorbeugen ist besser als Heilen! Die CWA hat ihn auf den Kopf gestellt, da die Politik ein Prestigeprojekt wollte, die Industrie Geld witterte und der deutsche Michel beide hat gewähren lassen, weil sie ihm versprochen haben, dass er bequem durch die Pandemie kommt, wenn er dafür nur ein bisschen Überwachung in Kauf nimmt.

Gesellschaftliche Fehlentwicklung

Kontaktverfolgung ist eine für die Privatsphäre maximal invasive Maßnahme. Sie ist bei grippeartigen Erkrankungen wenig erfolgreich und wird von der WHO deshalb auch nicht empfohlen. Darüber hinaus ist Kontaktverfolgung niemals das erste Mittel der Wahl in Epidemiebekämpfung, sondern lediglich ein Notfallplan, um doch noch zu verhindern, dass sich ein Feuer zu einem Flächenbrand entwickelt.

Alles was die CWA geschafft hat ist der Bevölkerung Kontaktverfolgung als Wunderwaffe gegen COVID19 zu verkaufen, sich dabei (mit Ansage) als völliger Rohrkrepierer zu erweisen und dadurch überhaupt erst den Weg für vermeintlich bessere, aber in der Praxis noch schlimmere Konzepte, wie z.B. Luca zu ebnen. Kontaktverfolgung ist mittlerweile, was nie hätte sein dürfen, zur Normalität geworden, ohne dass ihr Sinn, Nutzen und Wirksamkeit überhaupt noch ernsthaft hinterfragt wird, während gleichzeitig Hygiene immer lascher gehandhabt und durch noch mehr digitale “Helfer” ersetzt wird.

Wenn das Robert Koch Institut und des Bundesgesundheitsministerium ihre 100.000 verhinderten Infektionen angesichts knapp 4 Millionen tatsächlicher Infektionen als Erfolg feiert, dann ist das eine Blendgranate, die davon ablenkt, dass massiv in eine untaugliche Maßnahme investiert wurde, die die Pandemie lediglich verschleppt hat, weil wir zu ihren Gunsten auf effektivere Maßnahmen verzichtet haben. Ein frühzeitiger, harter Lockdown (auf Landkreisebene) wäre geeignet gewesen, uns die monatelange Hängepartie im Winter 2020 / 21 zu ersparen! Ein bedingungsloses Grundeinkommen für die Kultur- und Gastronomiebranche wäre geeignet gewesen, um die ständige Torpedierung eines echten Lockdowns zu verhindern. Beides zusammen wäre billiger gekommen als eine Pandemie auf Sparflamme, bei der man Infektionen riskiert, weil man ja (vielleicht, praktisch aber eher nicht) Kontakte nachverfolgen kann.